Abfuhr für Obama


Vergebens hat US-Präsident Obama bei den G8- und G20-Treffen in Kanada versucht, anderen Staaten des Westens seine Schuldenpolitik schmackhaft zu machen. Doch auch zuhause stößt der ausgabenfreudige Präsident damit an Grenzen. Der Kongress tritt auf die Bremse.

Von John Dyer, Boston

Ein ganzes Wochenende hat er Zeit gehabt. Doch es hat nicht genügt. US-Präsident Barack Obama hat vor allem die Führer der europäischen Staaten bei den G8- und G20-Gipfeln in Kanada überzeugen wollen, die Schuldenpolitik fortzusetzen. Wachstumsschub dank staatlicher Ausgabenmilliarden sei wichtiger als die Begrenzung ausufernder Defizite. Defizitabbau jetzt helfe nicht, die Wirtschaft anzukurbeln, sagten Obama und sein Finanzminister Timothy Geithner wieder und wieder. Vergebens. Die G20-Staaten einigten sich auf den Einstieg in den Defizitabbau.

Kongress bremst Schuldenwirtschaft

Das ist bereits die zweite Abfuhr für Obama innerhalb weniger Tage. Während diese zweite Abfuhr medienwirksamer ausfällt, da Obama den Streit bewusst im Scheinwerferlicht der internationalen Medien ausgetragen hatte, ist die erste Abfuhr für ihn schmerzhafter: Bereits am Donnerstag hatte der US-Senat es abgelehnt, ein Programm für die Verlängerung von Arbeitslosenhilfen, Hilfen für notleidende Bundesstaaten und Zuschüssen für das Gesundheitswesen zu verlängern. Das Programm hatte Ausgaben von 110 Milliarden Dollar (90 Milliarden Euro/122 Milliarden Franken) vorgesehen. Den Demokraten gelang es nicht, die nötigen 60 Stimmen im Senat zusammenzubringen, um die republikanische Opposition zu überstimmen. Auch demokratische Senatoren haben inzwischen Angst vor den politischen Folgen der ausufernden Staatsschuld. Diese ist mit 12 Billionen Dollar inzwischen beinahe so groß wie das gesamte Brutto-Inlandprodukt. Die Republikaner gehen mit dem Ruf nach Haushaltsdisziplin in den Wahlkampf für die Kongresswahlen im November. Obamas Demokraten dagegen können trotz riesiger Ausgabenprogramme bisher keine Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vorweisen. Diese verharrt bei knapp 10 Prozent.

Europäer winken freundlich ab

Europas Regierungschefs vermieden es, Salz in Obamas Wunden zu streuen. Die Diskussion sei von gegenseitigem Verständnis geprägt gewesen, sagte etwa die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Aber in der Sache blieb sie hart: Sie habe klar gemacht, dass es nachhaltiges Wachstum brauche, und dieses Wachstum sei kein Gegensatz zu Haushaltsdisziplin. Auch die neue britische Regierung war keine Hilfe für Obama, trotz aller „special relationship“ zwischen den beiden angelsächsischen Ländern. Premier David Cameron liess sich zwar in Obamas Hubschrauber mitnehmen. Doch an seiner harten Sparpolitik hielt er fest: Das derzeitige Defizit von 10 Prozent soll innerhalb von fünf Jahren auf 1 Prozent schrumpfen. Den Europäern steckt die griechische Schuldenkrise in den Knochen, die auf den ganzen Euroraum übergegriffen hat. Sie fürchten, dass andere Staaten mit hohen Defiziten und Schulden folgen könnten, etwa Spanien und Portugal.

Ein frustrierter US-Finanzminister Geithner sieht nun Europa in der Pflicht, andere Wege zu finden, um zum Wachstum in der Welt beizutragen. „Die jetzige Erholung ist durch ein sehr starkes Wachstum der Schwellenländer und ein solides Wachstum in den USA geprägt“, sagte er am Samstag. „Das Wachstum in Europa und Japan startete etwas später und ist noch immer zu abhängig von Exporten in den Rest der Welt.“

Schwellenländer auf dem aufsteigenden Ast

Die grossen Schwellenländer dagegen, vor allem China und Indien, konnten sich am Wochenende zurücklehnen: Ihr hohes Wachstum macht eine Debatte über Staatsschulden gegen Haushaltsdisziplin überflüssig. Chinas Entscheidung, den Yuan aufwerten zu lassen, hat rechtzeitig vor dem G20-Gipfel Druck vom Reich der Mitte genommen. Zudem bedeutet eine Aufwertung auch, dass China insgesamt reicher wird. Die Märkte vertrauen darauf, dass die aufstrebenden Staaten ihre Schulden später zurückzahlen können. Diesen Luxus können sich die USA womöglich bald nicht mehr erlauben: Ihre Erholung ist nicht so stark, wie es sich Obama wünscht. Eines Tages könnten sich die Märkte gegen ein schwächelndes Land wenden, das viel zu lange auf Pump gelebt hat. Griechenland hat gezeigt, wie schnell das gehen kann.

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