Schwere Zeiten für die Frankenwächter


Die Schweizer Exportwirtschaft ächzt: Der Franken ist gegenüber dem Euro so stark wie nie zuvor. Langfristiger Trend und kurzfristige Börsenentwicklung verstärken sich derzeit gegenseitig. Die Nationalbank stemmt sich nun nach einer Pause wieder gegen die Aufwertung.

Von Steffen Klatt, St. Gallen

Die Eurozone wird für Schweizer zum Schnäppchenland. Sie bekommen heute einen Euro bereits für 1,32 Franken. Vor einem Jahr waren es noch 1,52 Franken. Urlaubsreisen ins Euroland sind für Eidgenossen also um satte 13 Prozent billiger.

Weitere Aufwertung wahrscheinlich

Das dürfte auch so bleiben. UBS-Währungsanalyst Thomas Flury sieht den Franken so lange unter Aufwertungsdruck, bis die Ergebnisse für die Stresstests europäischer Banken noch nicht vorliegen. Diese Ergebnisse werden erst im Verlauf des Julis bekanntgegeben. Es sei deshalb durchaus möglich, dass der Franken noch weiter aufwertet. Sogar bis zur Parität? „Es gibt diese Angst.“

Ähnlich klingt es bei der anderen Grossbank: Die Credit Suisse rechne für die nächsten zwölf Monate mit einem Kurs zwischen 1,30 und 1,40 Franken pro Euro, sagt Währungsanalyst Fabian Heller – „auch wenn der faire Wert aus unserer Sicht bei 1,40 liegt“. Einstweilen könnten die Märkte den Franken aber noch weiter in die Höhe drücken. „Es gibt Wetten auf eine weitere Aufwertung.“

Nationalbank schreitet wieder ein

Die Schweizerische Nationalbank hat versucht, die Aufwertung zu bremsen. Sie wollte verhindern, dass billigere Importe einen Preiszerfall, also eine Deflation auslösten. Sie hat seit März während mehreren Wochen massiv Euro aufgekauft, um den Franken deutlich über 1,40 zu halten. Damit häufte sie Währungsreserven von 232 Milliarden Franken bis Ende Mai an. Das übertrifft sogar leicht die Währungsreserven der vielfach größeren Eurozone. Doch dann gab die Nationalbank die Verteidigung auf. Der Schweiz drohe keine Deflation mehr, so die Begründung. Nun sitzt die Nationalbank auf einem Berg von Euro, der seither stark an Wert verloren hat. Am Donnerstag allerdings scheint sie wieder eingegriffen zu haben, um den Euro bei 1,32 Franken zu halten.

Leise Kritik an der Nationalbank

Jan Egbert Sturm übt leise Kritik an der Nationalbank. Die Nationalbank habe verhindern wollen, dass die Schweiz in einer wirtschaftlichen Schwächephase auch noch mit einer Aufwertung konfrontiert würde, sagt der Leiter der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich. Das sei für 2009 auch richtig gewesen. Doch bereits zum Jahreswechsel sei sichtbar geworden, dass der Aufschwung begonnen habe. „Die Nationalbank hat lange an einem Bild festgehalten, das sich im Nachhinein als nicht richtig herausgestellt hat.“ Doch Sturm relativiert: „Im Nachhinein ist man immer klüger.“

So sieht es auch UBS-Analyst Thomas Flury. Er weist zudem darauf hin, dass die Nationalbank die Gefahr einer selbstverschuldeten Inflation einschränke: Zwar habe sie für den Kauf der Euro Franken neu geschaffen. Aber sie nehme einen Teil dieses Geldes durch Anleihen wieder vom Markt. „Lieber Währungsreserven aufbauen als Schulden“, sagt er mit Blick auf die Eurozone, die USA, England und Japan.

Wirtschaft kann mit Aufwertung leben

Die Schweiz wird also reicher. Doch nicht alle profitieren davon: Unternehmen, die in den Euroraum exportieren, müssen niedrigere Margen in Kauf nehmen. Immerhin gehen dorthin mehr als die Hälfte der Exporte. Im Dollarraum – den USA und Asien – die Konkurrenz von Anbietern aus dem Euroraum härter. Am härtesten trifft die Aufwertung den Tourismus: Schweizer könnten vermehrt in der Eurozone Ferien machen, Ausländer die teure Schweiz verstärkt meiden. Die Volkswirtschaft insgesamt könne aber mit den derzeitigen Kursen leben, sagt Credit Suisse-Analyst Heller. die Wirtschaft kann mit dem stärkeren Franken umgehen.“

Niedrigere Inflation macht Druck

Das muss sie auch. Denn die Aufwertung des Franken ist ein langfristiger Trend. Peter Kugler verweist auf den Unterschied des realen und des nominalen Wertes: Seit der Einführung des Euro 1999 sei die Geldentwertung in der Eurozone kumuliert 11 Prozent höher gewesen, jedes Jahr ein Prozent, sagt der Professor für monetäre Makroökonomie der Universität Basel. Der Euro sei 1999 mit 1,60 Franken gestartet. „Real sind das heute 1,42 Franken“, sagt Kugler. Zusätzlich zur inflationsbedingten nominellen Aufwertung werte der Franken auch real leicht auf, weil er als eine sichere Währung angesehen werde.

Kugler verweist auf die 70er Jahre: Zwischen 1973 und 1978 hat der Franken gegenüber der D-Mark um 40 Prozent real aufgewertet, von über 1,20 auf unter 0,80 Franken pro Mark. Dann habe die Nationalbank die Notbremse gezogen. Das wäre auch heute wieder möglich. Die Frage ist nur, bei welchem Kurs die Frankenwächter das tun. „Ein Kurs von 1,32 Franken ist im historischen Vergleich nicht extrem stark“, sagt Kugler. „Aber mit 1,20 würden sich gravierende realwirtschaftliche Probleme ergeben.“

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