„Zainichis“ haben es schwer in Japan

Vor hundert Jahren wurde Korea von Japan okkupiert. Noch immer werden  Koreaner in Japan als zweitklassige „Zainichi“ behandelt. Deutlich wird das an den koreanischen Schulen in Japan. Rasselt Nordkorea mit dem Säbel, brauchen die Kinder Begleitschutz.

Von Susanne Steffen, Tokio

Ri-hye Park hat zwei Schuluniformen. Eine koreanische im traditionellen Hanbok-Stil, die sie nur auf dem Schulgelände trägt und eine japanische für den Schulweg. Letztere dient ihrer Sicherheit – damit sie in der Bahn nicht angepöbelt oder gar verletzt wird. Denn die 17-Jährige besucht die koreanische Mittel- und Oberschule in Yokohama, eine von knapp 70 von Nordkorea subventionierten Schulen in Japan. Immer wenn Pjöngjangs Machthaber die Welt mit Atom- oder Raketentests provozieren, dürfen zumindest die jüngeren Kinder nur in großen Gruppen zur Schule kommen – mit Geleitschutz von Lehrern und Eltern. „Manchmal hatte ich richtig Angst“, erzählt die in Japan geborene Koreanerin. Einmal haben wütende Japaner sogar einer Grundschülerin in der S-Bahn ihren Hanbok-Rock vom Leib gerissen.

Der „liebe Führer“ hilft

Die Portraits vom „lieben Führer“ Kim Jong Il und seinem Vater, dem Staatsgründer Kim Il Sung schmücken fast jeden Klassenraum. Direkt über der Tafel, wo in manch deutscher Schule Jesus am Kreuz hängt, lächeln die beiden noch jungen Kims aus edlen Rahmen den Schülern gütig zu. „Die Bilder sind ein Zeichen unserer tiefen Dankbarkeit“, erklärt die resolute Englischlehrerin Mal-ryo Chang im grün glänzenden Hanbok-Rock. Schliesslich habe Nordkorea trotz aller wirtschaftlichen Probleme seit 1957 jedes Jahr für den Erhalt der Schulen gespendet. Momentan umgerechnet rund 240 Millionen Yen (ca. 2,1 Millionen Euro/ 2,9 Millionen Franken). „Pjöngjang hat uns nicht vergessen“, ergänzt die 48jährige, die hier selbst auch die Schulbank gedrückt hat. Seoul hingegen tue überhaupt nichts, verurteilt sie den Süden. Die hätten die Kinder immer nur aufgefordert, nach Südkorea zu kommen oder Japaner zu werden.

400.000 Zainichi leben in Japan

Aber in Japan würden die „Zainichi“ – wie die Kinder und Enkel der nach 1945 in Japan verbliebenen koreanischen Siedler und Zwangsarbeiter aus der Kolonialzeit genannt werden – noch immer diskriminiert. Heute – genau 100 Jahre nach der Annektion Koreas durch Japan – leben noch rund 400.000 Zainichi in dritter, vierter und fünfter Generation in Japan. Jetzt sei wieder einmal die Regierung als oberste Diskriminierungsinstanz aktiv, ereifert sich Chang und redet sich in Rage. Ab sofort übernimmt der japanische Staat die Schulgebühren für alle Oberschüler des Landes – nur vorerst nicht für die Schüler der koreanischen Schulen. Namhafte Bildungspolitiker sind überzeugt, dass die Schulen der ideologischen Indoktrination dienen.

Nordkorea habe für seine finanzielle Unterstützung nie Gegenleistungen wie die Verwendung nordkoreanischer Bücher oder ein Mitspracherecht bei der Erstellung des Lehrplans gefordert, widerspricht Chang. Unterrichtet werde nach japanischen Lehrplänen, aber auf koreanisch. „Ich finde es toll, dass wir nicht nur all diese negativen Dinge lernen, die in japanischen Medien berichtet werden, sondern auch mal was Gutes über unser Vaterland hören“, freut sich Schülersprecherin Ri-hye.

Spaltung in Nord und Süd

Ri-hyes Familie stammt ursprünglich aus dem heutigen Südkorea – wie die große Mehrheit der Zainichi. Nach Kriegsende hatte Tokio ihnen die japanische Staatsbürgerschaft entzogen. Sie bekamen zwar eine Aufenthaltsgenehmigung, doch waren sie quasi staatenlos, da Japan weder zu Süd- noch zu Nordkorea diplomatische Beziehungen hatte. Seit Japan 1965 diplomatische Beziehungen zu Südkorea aufgenommen hat, können sich auch die Zainichi südkoreanische Pässe ausstellen lassen. Der größte Teil der Zainichi hat das mittlerweile getan, doch bis zu 70.000 weigern sich nach Schätzung von Experten bis heute, zwischen den beiden Korea zu wählen, oder haben sich für Nordkorea entschieden. Die Teilung der koreanischen Halbinsel trennte auch die koreanische Gemeinde in Japan. Zwei Organisationen vertreten die Interessen der Zainichi: Eine Südkorea nahestehende und die Nordkorea nahestehende Vereinigung „Chosen Soren“.

Klassenfahrt nach Korea

Viele Zainichi berichten, dass sie ihre Kinder auf die von Pjöngjang gesponsorten Schulen schickten, da die regelmässigen Klassenfahrten nach Nordkorea eine der wenigen Möglichkeiten sei, den Kontakt zu heimgekehrten Geschwistern, Eltern und Großeltern aufrecht zu halten. Auch Ri-hye will Korea unbedingt mit eigenen Augen sehen. „Mein Vaterland hat mich zu dem gemacht, was ich bin“, erklärt sie. Sie lebt gerne in Japan, all ihre Träume spielen in diesem Land. Ihre Schule wirbt damit, dass es die Abgänger trotz erschwerter Aufnahmeprüfungen auf die renommiertesten Universitäten des Landes schaffen. Doch die japanische Elite ist nicht Ri-hyes Ziel. Sie will Lehrerin werden – an einer koreanischen Schule.

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