Entspannt Euch!

Zen könnte Managern mehr Entspanntheit bringen und somit auch erfolgreicher werden lassen. Mit weniger Ehrgeiz zu mehr Erfolg – kein Widerspruch, sondern zentraler Bestandteil der Zen-Philosophie für Führungskräfte. Der ehemalige PR-Manager Paul Kohtes lebt sie und ist der Meinung, nachhaltiges Wirtschaften könne nur funktionieren, wenn Druck abgebaut wird.

Von Yvonne von Hunnius, Frankfurt

Wie würde die Wirtschaft aussehen, wenn es mehr Manager gäbe, die Zen leben?

Paul Kohtes: Zumindest entspannter und das wäre schon ein wirklicher Vorteil, denn Entspannung ist meiner Meinung nach eine zentrale Voraussetzung dafür, dass sich ein nachhaltiges Bewusstsein entwickeln und etablieren kann. Im Business agieren viele Menschen heute eher verkrampft – nicht nur in konventionellen Branchen, auch im ökologischen Bereich. Typische Lagerbildungen unter dem Motto „wir gegen die“ sind die Folge.

Und wie kann Zen hier helfen?

Kohtes: Zen führt zu einem anderen Bewusstsein, heraus aus dem einseitigen Fokus auf bestimmte Paradigmen oder Wertsysteme. Diese werden damit nicht obsolet, doch man wird sich der Tatsache bewusst, Teil eines Ganzen zu sein. Und in diese ganzheitliche Perspektive kann man jedes Wertsystem selbstverständlich integrieren. Eine solche Adlerperspektive kann in jedes Businessmeeting hineingenommen werden. Ein Stück Entspanntheit wird dabei gewonnen, ohne dass diese zu „laissez faire“ zur Folge hat.

Gerade weil Zen frei von Werten ist, führt es über Fixierungen hinaus. Auch die ökologische Bewegung ist ja häufig fixiert auf ihre Werte, was zu einer neuen Einseitigkeit führt. Zen ist keinesfalls eine Religion, sondern lediglich eine Bewusstseinsschulung.

Würde es etwas bringen, Zen in eine Corporate-Identity zu integrieren?

Kohtes: Ich habe mehrere Jahrzehnte Unternehmen zu solchen Fragen beraten und aus meiner Erfahrung heraus kann ich nur sagen: In dem Moment, in dem etwas aufgeschrieben wird, ist es auch schon ausgehöhlt, weil es seine Lebendigkeit verliert.

Gilt das auch für ambitionierte Firmenwerte der Nachhaltigkeit, die festgezurrt werden?

Kohtes: Wenn große Firmen sich der Nachhaltigkeit verpflichten und dies in Leitlinien formulieren, dann werden an sich gute Ideen häufig zur Leerformel. Man delegiert das Programm möglicherweise an einen „Nachhaltigkeitsverantwortlichen“, der letztlich keine Kompetenzen erhält. Ich halte auch Nachhaltigkeitsberichte für überflüssig, weil sie ein ganzheitliches Thema wieder in Segmente separieren. Zen ist eine Bewusstseinsschulung, Nachhaltigkeit ist ein Grundprinzip, eine Überlebensstrategie. Die Chance liegt darin, beide Aspekte zu verbinden, um so eine umfassendere Perspektive zu entwickeln.

Und wie kann man solcherlei Grundprinzipien verankern?

Kohtes: Zen ist eine Praxis, keine Theorie – und entfaltet sich im Tun! Wir sind dagegen meistens auf Beharren gepolt. Aber wir können auch erkennen, dass Wandel etwas sehr Vergnügliches ist, ein kreativer Prozess. Schauen Sie sich das Social Web an, das sich nach diesem Prinzip entwickelt. Wenn ich diese neuen Formen der Kommunikation, also des Miteinanders, betrachte, bin ich sehr zuversichtlich.

Somit wirft Zen ganz selbstverständlich einen Innovationsmotor an?

Kohtes: Unbedingt. Die meisten Firmen agieren im Hinblick auf ihre Dynamik und ihre ökonomische Entwicklung zu konventionell. Sie betreiben beispielsweise vor der Einführung eines Produktes konventionelle Marktforschung und dennoch misslingen neun von zehn Markteinführungen. Häufig wird einfach zu linear gedacht. Wer Zen praktiziert, erkennt leichter die Begrenztheit der eigenen Gedanken. In der Stille öffnet sich ein Raum, in dem wirklich Neues entstehen kann – und dieser kreative Prozess ist die Basis für Innovationen.

Aber wodurch kann man nun konkret seine Kreativität steigern und das Bewusstsein ändern?

Kohtes: Das ist ein Öffnungsprozess, den jeder einzelne durchlaufen sollte. Zen ist meiner Meinung nach die beste, aber nicht die einzige Möglichkeit, dies zu tun. Hier geht man durch Meditation in die Stille nach der simplen Devise: „have a break“. Es geht darum, einen Moment aus der Erstarrung herauszukommen. Und das Gegenteil von dem zu wagen, was normal ist. Das funktioniert allerdings nicht wie bei vielen Kreativitätstechniken auf Knopfdruck. Man braucht die Bereitschaft, sich auf einen elementaren Entwicklungsprozess einzulassen.

Wie könnte Ihrer Meinung nach die Ausrichtung im Ganzen verändert werden?

Kohtes: Es ist besser, wenn es sich von innen heraus selbst ergibt. Wie bei der Nächstenliebe: Wenn ich die Erfahrung gemacht habe, dass mir etwas gut tut, dann ist die natürliche Folge, dass ich selbst danach handle. Da braucht es kein politisches Programm. Wenn ich einmal ganz unmittelbar erfahren habe, zum Beispiel in der Stille einer Meditation, wie eng wir alle miteinander vernetzt sind, dann wird die Ausrichtung am Ganzen eine natürliche Folge dieser Erfahrung sein. Das ist idealtypisch betrachtet. Im Alltag geht es leider allzu oft offensichtlich nur so: Ich persönlich habe auch erst zum Zen gefunden, als ich in einer Krise steckte …

Zur Person:

Paul Kohtes (Jahrgang 1945) gründete mit 28 Jahren in Düsseldorf die PR-Agentur KohtesKlewes und machte sie zum Marktführer. Seine Schwerpunkte sind Seminare in Zen-Meditation, Führungskräfte-Coachings und Publikationen zu „Management und Spiritualität“. 1998 gründete er die gemeinnützige Stiftung „Identity Foundation“. Der von der Stiftung im November 2010 in Berlin organisierte Kongress „Meditation & Wissenschaft“ (www.meditation-wissenschaft.org) zeigt unter anderem, welchen Nutzen Meditation im Arbeitsleben stiftet.

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