Ein Schritt vorwärts

Die Schweizer Abgeltungssteuer ist wirksamer als der automatische Informationsaustausch, sagt Diana Wallis, britische Liberale, Vizepräsidentin des EU-Parlaments und Kennerin der Schweiz. Die Abkommen der Schweiz mit Deutschland und Grossbritannien seien Schritte vorwärts.

Interview: Steffen Klatt

Grossbritannien und Deutschland haben bilaterale Steuerabkommen mit der Schweiz abgeschlossen. Was halten Sie davon?

Diana Wallis: Das hört sich wie eine gute Nachricht an.

Warum?

Wallis: Ich kenne noch nicht die Einzelheiten. Aber es scheinen recht weitgehende Abkommen zu sein. Die Parteien konnten sich auf eine Definition von Steuerhinterziehung einigen, die derjenigen der OECD entspricht.

Wird mit diesen Abkommen ein automatischer Informationsaustausch über Bankguthaben in der Schweiz unwahrscheinlich?

Wallis: Soweit es um einen automatischen Austausch von Information geht, dann ist das wohl so. Aber wenn die drei Länder sich auf wirksame Massnahmen gegen die Steuerhinterziehung einigen konnten, dann scheint dies ein Schritt vorwärts zu sein. Das würde zumindest bedeuten, dass Steuern nach London und Berlin fliessen. Das ist nach meiner Ansicht wichtiger. Denn damit kann sichergestellt werden, dass Steuern eben nicht über Schweizer Bankkonten hinterzogen werden.

Könnten andere EU-Länder nachziehen?

Wallis: Möglicherweise. Andere Länder könnten zum Schluss kommen, dass ein solches Abkommen wirksamer ist als die gegenwärtige EU-Zinsbesteuerung.

Die EU-Kommission hält am automatischen Informationsaustausch fest. Haben Grossbritannien und Deutschland dieses Ziel quasi gegen Milliarden Pfund und Euro aus der Schweiz verkauft?

Wallis: Nach meiner Auffassung nicht. Denn die Abkommen mit der Schweiz haben mit Steuerhinterziehung zu tun. Damit helfen sie, Steuerhinterziehung zu verhindern.

Der automatische Informationsaustausch ist in der EU zumindest bei der Zinsbesteuerung Standard. Kann sich die Schweiz als Nicht-Mitglied abseits halten?

Wallis: Es geht darum, was wirksam ist. Was Grossbritannien und Deutschland in ihren Abkommen erreicht haben, ist wirksamer, um das Steuergeld zurückzubekommen.

Die frühere Labourregierung in Grossbritannien hat Europa in Richtung automatischen Informationsaustausch gedrängt. Die neue Regierung, an der auch Ihre Liberaldemokratische Partei beteiligt ist, hat nun dieses Abkommen abgeschlossen. Hat der Regierungswechsel das Verhältnis Ihres Landes zur Schweiz verändert?

Wallis: Der Regierungswechsel hat zumindest die Fähigkeit erhöht, zu einer Einigung zu kommen. Das kann ich nur begrüssen.

Wie wird die Schweiz im EU-Parlament wahrgenommen? Als wichtiger Nachbar und Handelspartner oder als Rosinenpickerin?

Wallis: Die Schweiz ist ein wichtiger Nachbar. Wir waren begeistert, als wir die Nachricht über den Durchbruch im Gotthardtunnel erhalten haben. Aber die Schweiz steht auf unserer politischen Agenda nicht ganz oben.

Nun warten wir, was als nächstes kommt. Der Ball liegt bei der Schweiz.

Etwa in Bezug auf ein Rahmenabkommen für die vielen bilateralen Abkommen?

Wallis: Von der EU aus gesehen wäre es vorzuziehen, nicht all die verschiedenen Komitees zu haben. Es wäre besser, ein Rahmenabkommen zu haben. Dies dürfte aber keinen Zugang zu den EU-Institutionen gewähren.

Sollte die Schweiz dem Europäischen Wirtschaftsraum beitreten?

Wallis: Ich würde das nicht vorschlagen, weil ich weiss, dass das Schweizer Volk dies abgelehnt hat. Ich glaube nicht, dass dies derzeit ein sinnvoller Vorschlag wäre, besonders, wenn Island der EU beiträte. Dann würde der EWR mit Norwegen und Liechtenstein wie eine absterbende Organisation aussehen.

Könnte der EWR demokratischer gemacht werden, damit er attraktiver wird für die Schweiz?

Wallis: Wir EU-Parlamentarier werden immer bereit sein, mit unseren Schweizer Kollegen zu sprechen. Aber ohne Mitgliedschaft ist alles möglich, nur nicht der Zugang zu den EU-Institutionen.

Die Schweiz hat anders als die meisten EU-Länder gesunde Staatsfinanzen. Weckt das Begehrlichkeiten, die Schweizer stärker an den Kosten der europäischen Integration zu beteiligen?

Wallis: Ich würde es nicht so sehen, sondern andersherum: Wenn die Schweiz voll am EU-Binnenmarkt und an allen EU-Aktivitäten teilnehmen will, dann sollte sie wie alle anderen Länder auch den Mitgliedsbeitrag zahlen. Wir haben keine Lust auf Länder, die nur für diejenigen Teile der europäischen Integration bezahlen, die ihnen gefallen, aber nicht für den Rest.

Zur Person:

Diana Wallis, Jahrgang 1954, sitzt seit 1999 für die britischen Liberaldemokraten im EU-Parlament. Seit 2007 ist sie auch Vizepräsidentin des Parlaments. Sie ist unter anderem Mitglied der Delegation des Parlaments für die Schweiz und die anderen Efta-Länder. Im Jahr 2002 veröffentlichte sie unter dem Titel „The forgotten enlargement“ ein Buch über die reichen EU-Aussenseiter in Europa. Diana Wallis kennt die Schweiz seit ihrem Studienaufenthalt in Zürich.

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