Amerika steckt in der Falle


Arbeitslosigkeit wird zunehmend zum Thema Nummer eins in den USA. Die Wirtschaft wächst zwar wieder, schafft aber zu wenig Arbeitsplätze. Die Zahl der Dauerarbeitslosen wächst.

Von John Dyer, Boston

In Amerika macht sich Angst breit: Die Wirtschaft wächst wieder, aber sie schafft kaum Arbeitsplätze. „Es besteht die Gefahr, dass wir in einer neuen Normalität stecken bleiben, in der die Arbeitslosigkeit hoch bleibt“, sagte Präsident Barack Obama am Sonntag in einem Interview mit dem Sender CBS. „Leute, die Arbeit haben, haben nun ein höheres Einkommen. Aber die Unternehmen gewöhnen sich daran, mehr zu produzieren mit weniger Beschäftigten.“

Beschäftigung wächst wieder leicht

Im Oktober ist die Beschäftigung zwar erstmals seit Mai wieder gewachsen. Die Unternehmen stellten 159.000 Leute ein. Das deutet darauf hin, dass die Gefahr einer zweiten Rezession gebannt ist. „Die Erwartung, dass die Wirtschaft wieder schrumpft, kann ad acta gelegt werden“, sagt John Ryding, Chefökonom bei RDQ Economics in New York. Doch das reicht nicht, um die Arbeitslosigkeit zu verringern. Diese verharrt bei 9,6 Prozent. Die Billionen an Steuergeldern, welche die Obama-Administration zur Bekämpfung der Krise und zur Belebung der Wirtschaft ausgegeben hat, greifen nicht. Insgesamt 7,5 Millionen Amerikaner haben seit Dezember 2007, als die Rezession offiziell begann, ihre Stelle verloren.

Langzeitarbeitslosigkeit nimmt zu

Viele von ihnen sind noch heute arbeitslos, und dürften es auch bleiben. Laut dem Brookings Institut, einer unparteiischen Denkfabrik in Washington, müssten weitaus mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, um die Arbeitslosigkeit abzubauen. Selbst wenn pro Monat 208.000 Stellen geschaffen würden, brauchte es zwölf Jahre, um alle derzeit arbeitslosen Amerikaner wieder in Brot und Arbeit zu bringen. „Wir erleben derzeit einen ungewöhnlichen Aufschwung, einschliesslich eines historischen Wachstums der Langzeitarbeitslosigkeit“, stellte ein Bericht des Brookings Instituts fest. Nach vorangegangenen Krisen hatte ein jeweils kräftiger Aufschwung die Arbeitslosigkeit rasch wieder verringert.

Druck auf Handelspartner

Das erklärt auch, warum die USA derzeit Druck auf ihre Handelspartner ausüben, ihre Handelsüberschüsse zu verringern. „Wir können nicht länger eine Situation beibehalten, in der einige Länder massive Überschüsse haben, andere massive Defizite und keine Anpassung über die Währungen erfolgt“, sagte Obama bei einem Besuch in Indien am Montag. Er sprach damit die Aussenhandelsüberschüsse von Ländern wie Deutschland, China und Japan an sowie die Weigerung Chinas, seine Währung aufzuwerten.

Doch der Appell Obamas dürfte kaum auf offene Ohren stossen, nachdem die Notenbank Fed in der vergangenen Woche den Druck von 600 Milliarden Dollar bis zum nächsten Sommer angekündigt hat. Die wichtigsten Handelspartner der USA sehen darin einen Angriff auf ihre eigenen Währungen. Für Washington dagegen ist die Dollarschwemme ein letzter Versuch, doch noch das Wachstum anzukurbeln, nachdem eine Nullzinspolitik seit drei Jahren keinen raschen Aufschwung gebracht hat.

Keine Mehrheit für höhere Staatsausgaben

Der andere klassische Weg, die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen, scheint dagegen versperrt zu sein: Für eine massive Erhöhung der Staatsausgaben fehlt Obama nun die parlamentarische Mehrheit. Viele Republikaner sind dank der Unterstützung der Tea Party in den US-Kongress gelangt. Diese konservative Basisbewegung lehnt hohe Staatsausgaben prinzipiell ab. Daher ist es offen, ob selbst Ausgaben in Infrastrukturmassnahmen, die den Wahlkreisen zugute kommen, genügend parlamentarische Unterstützung bekommen werden. „Historisch gesehen sind Investitionen in die Infrastruktur von Republikanern und Demokraten gleichermassen unterstützt worden“, sagte Obama am Sonntag. „Ich werde nun Gespräche führen um herauszufinden, ob das immer noch der Fall ist.“

Beide Seiten sind bereits in eine Auseinandersetzung um die Zukunft der Steuererleichterungen verwickelt, die einst unter Präsident George W. Bush erlassen worden waren. Obama will sie nur für Einkommen unter 250.000 Dollar weiterführen. Die Republikaner wollen sie vollständig belassen. Es ist offen, ob beide Seiten zu einem Kompromiss finden. Tun sie es nicht, könnte sich das politische Washington in den nächsten beiden Jahren blockieren.

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