In Ägypten sind Dutzende Exponenten des Mubarak-Regimes wegen Korruption angeklagt. Experten bezweifeln allerdings, dass dies ausreichen wird, um die Korruption langfristig einzudämmen. Die Korruption war einer der Auslöser der Massenproteste gewesen.
Von Lukas Leuzinger, Kairo
Während der Präsidentschaft Hosni Mubaraks gehörte die grassierende Korruption zu den Lieblingsthemen der Ägypter. In politischen Gesprächen machten regelmässig Geschichten über Vetternwirtschaft und Bereicherung in der Regierung die Runde. „Im ägyptischen Staat kommt Korruption nicht vor“, fasste es ein junger Arzt in einem solchen Gespräch einmal zusammen. „Der Staat basiert auf Korruption.“
Einer der Auslöser der Proteste
Die Regierung Mubaraks war in der Bevölkerung dafür berüchtigt gewesen, systematisch in die eigenen Taschen zu wirtschaften. „Die Korruption war ein wesentlicher Faktor, der im Januar zu den Massenprotesten führte“, sagt Abdul El Gebali, der am Al-Ahram Center for Political and Strategic Studies zur Korruption in Ägypten forscht. Er verweist vor allem auf die Interessenkonflikte in der Regierung und anderen staatlichen Institutionen, welche die Unzufriedenheit in der Bevölkerung geschürt habe.
Präsident liess seine Getreuen profitieren
Tatsächlich bekleideten zahlreiche Minister gleichzeitig wichtige Positionen in der Wirtschaft. So war Ahmed El-Maghrabi, der bis Januar dem Ministerium für Hausbau vorstand, gleichzeitig Mitbesitzer der zweitgrössten Immobilienfirma des Landes. Sein Amt soll er unter anderem dazu missbraucht haben, seinem Unternehmen staatliches Bauland zu einem Bruchteil des realen Werts zu verkaufen. El-Maghrabis Vermögen wird auf 1,5 Milliarden Euro (2 Milliarden Franken) geschätzt. Im Vergleich zum Reichtum des Mubarak-Clans, der mindestens 40 Milliarden Franken betragen soll, ist dies eine bescheidene Summe.
Loyalität gegen Reichtum
Sie macht jedoch deutlich, wie das System Mubaraks funktionierte: Im Austausch für ihre Loyalität liess der Präsident seine Getreuen von den staatlichen Einkünften zu profitieren. Omnia Hussien, die Programmkoordinatorin für Ägypten der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International, spricht von einem „Apparat der ungerechtfertigten Bereicherung“. Die Gesetze der Ära Mubarak behinderten den Kampf gegen Korruption massiv. Beispielsweise sei der Zugang zu staatlichen Informationen für den einzelnen Bürger stark eingeschränkt. Zudem hätten die Institutionen, welche Korruption verfolgen sollten, selbst in der Abhängigkeit des Regimes gestanden. Dieses verwendete sie nicht selten dazu, unerwünschte Oppositionelle hinter Gitter zu bringen.
Nun werden erstmals auch die Machenschaften Mubaraks und seiner Getreuen genauer unter die Lupe genommen. Gegen etwa zwei Dutzend Figuren des ehemaligen Regimes hat die Staatsanwaltschaft Untersuchungen wegen Korruption eröffnet. Angesichts der anhaltenden Proteste demonstriert der herrschende Militärrat Entschlossenheit, mit den Machenschaften des alten Regimes aufzuräumen.
Langfristige Reformen nötig
Noch steht allerdings nicht fest, wie nachhaltig der nun zur Schau gestellte Kampf gegen das Übel der Korruption sein wird. „Noch ist es zu keiner Verurteilung gekommen“, gibt Omnia Hussien zu bedenken. Sie kritisiert die Intransparenz der Ermittlungen. „Die Öffentlichkeit erhält kaum Informationen darüber, wer weshalb unter Verdacht steht und um welche Summen es sich handelt.“
Auch Abdul El Gebali warnt vor verfrühter Euphorie: „Die Untersuchung der Vergangenheit ist sicherlich notwendig. Ebenso wichtig ist jedoch, dass im Hinblick auf die Zukunft die Reformen vorangetrieben werden, um die Korruption langfristig zu bekämpfen.“ Dazu gehöre insbesondere ein Gesetz, welches den öffentlichen Zugang zu staatlichen Informationen erleichtere. Auch das Problem der Interessenkonflikte müsse dringend angegangen werden.