Anschlag stärkt harten Kurs in Minsk


Mindestens zwölf Tote und 200 Verletzte hat es beim Bombenanschlag in der U-Bahn der weißrussischen Hauptstadt Minsk gegeben. Die Regierung von Präsident Lukaschenko will auf der Tätersuche „alles von innen nach außen kehren”.

Von Axel Eichholz, Moskau

Der Dienstag hat in Moskau mit spontanen Sympathiekundgebungen für die Opfer der Minsker U-Bahnexposion vom Montagabend begonnen. Menschen kamen auf dem Weg zur Arbeit bei der weißrussischen Botschaft vorbei, um Blumen niederzulegen. Minsk wird in Russland nicht als Ausland empfunden. Unmittelbar nach dem Anschlag in Minsk aufgenommene Fotos erinnerten frappierend an jene von den Explosionen in der Moskauer Metro vor einem Jahr.

Mindestens zwölf Tote und 200 Verletzte

Die Minsker U-Bahn hat nur zwei Strecken, die sich in der Stadtmitte kreuzen. Der Umsteigebahnhof Oktoberplatz liegt 28 Meter tief nicht weit von der Residenz des Präsidenten Alexander Lukaschenko. Auch der Ministerrat, das Außenministerium, der Geheimdienst KGB und das Innenministerium befinden sich in der Nähe. Die Explosion ereignete sich gegen 18 Uhr Ortszeit, also mitten im Berufsverkehr. Die Bombe war unter einer Bank am Bahnsteig versteckt. Die Decke sei eingestürzt und habe darunter stehende Menschen zerdrückt, behauptete ein Augenzeuge. Es sei nicht die gesamte Raumdecke gewesen, berichtigte ihn später Lukaschenko.

Die Bombe hatte eine Stärke von sieben Kilo des herkömmlichen Sprengstoffs TNT. Die meisten Verletzungen wurden durch Stahlkugeln, mit denen die Bombe gefüllt war, und Granitsplitter von den Wandverkleidungen verursacht. Gestern wurden zwölf Tote und rund 200 Verletzte gezählt. 157 von ihnen wurden in Krankenhäuser eingeliefert.

Parallelen zur Explosion von 2008

Lukaschenko besuchte zusammen mit seinem jüngsten Sohn Kolja, den er überallhin mitnimmt, den Explosionsort und legte dort Blumen nieder. In der anschließenden Krisensitzung wurde die Bildung einer Arbeitsgruppe mit dem Vizegeneralstaatsanwalt Andrej Schwed an der Spitze angeordnet. „Sie tragen die persönliche Verantwortung für den Erfolg der Ermittlungen“, sagte Lukaschenko dem KGB-Chef Wadim Saizew. Dieser solle auf mögliche Verbindungen zum Anschlag vom 3. Juli 2008 achten. Es gehe darum, „festzustellen, wem die Explosion nutzte, wem Stabilität und Ruhe in Weißrussland gegen den Strich gingen“, so der Präsident.

2008 wurde eine kleinere Bombe bei einer Massenfeier im Minsker Stadtkern gezündet. Auch Lukaschenko befand sich damals in der Menge. Alle weißrussischen Männer mussten danach ihre Fingerabdrücke abliefern. Haussuchungen und Vernehmungen von Oppositionspolitikern folgten. Die Schuldigen wurden aber bisher nicht gefunden.

Diesmal wies Lukaschenko das Innenministerium an, „alles von innen nach außen zu kehren“. Besonders müsse man auf illegalen Besitz von Waffen, Munition und Sprengstoff achten. Es sei eine ernste Herausforderung gewesen, und „wir müssen eine angemessen Antwort erteilen“, so der Präsident. Lukaschenko sprach von „politischer Spur“ und davon, dass „dieses Geschenk möglicherweise von auswärts hereingeschleppt wurde“.

Interner Kampf beim KGB?

Der aus Weißrussland stammende Moskauer Journalist Pawel Scheremet schloss die Schuld der Opposition am Anschlag in einem Interview des Nachrichtensenders Kommersant FM entschieden aus. Sie sei nach der Präsidentschaftswahl vollständig zerschlagen worden. Viel wahrscheinlicher sei ein Teppichkampf im weißrussischen KGB, sagte Scheremet. Der Geheimdienst werde zurzeit von Freunden des älteren Lukaschenko-Sohnes geleitet, die mit den „Alten“ um den Ex-Sicherheitschef Viktor Schejman im Clinch lägen, heißt es. Auf Lukaschenkos Frage, wem der Anschlag nutze, gebe es die einfache Antwort: ihm selbst. Bisher habe sich Moskau mit einem Kredit für Minsk in Höhe von 3 Milliarden US-Dollar (2,1 Milliarden Euro/2,7 Milliarden Franken) Zeit gelassen, so der Journalist. Der Anschlag könne die Finanzhilfe beschleunigen. Außerdem wird Lukaschenko den Anschlag laut Scheremet nutzen, um die Opposition als selbständige politische Kraft vollends zu vernichten.

Terroristen waren angeblich blutige Laien

Unterdessen hat die Minsker Generalstaatsanwaltschaft vor Spekulationen über die Explosionsursache gewarnt. Nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur BELTA wurden Phantombilder von zwei mutmaßlichen männlichen Terroristen zusammengestellt. Sie basierten auf Befragungen von Augenzeugen und Videoaufnahmen, heißt es. Am Dienstag wurden mehrere Verdächtige festgenommen.

Anders als bei den Moskauer Metro-Explosionen seien keine Kamikazefrauen am Minsker Anschlag beteiligt gewesen. Die Attentäter hätten außerdem Schießpulver als Sprengstoff verwendet, was absolut unüblich sei, heißt es weiter. Folglich handelte es sich bei ihnen um blutige Laien.

 

 

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