Ohne Staat geht es noch nicht


Städte sind der Motor der Wirtschaft. Die im Netz der C40 zusammengeschlossenen Megastädte wollen dies nutzen, um zum Motor einer nachhaltigen Wirtschaft zu werden. Dazu braucht es Finanzierungen und politischen Willen. Beides ist nicht immer vorhanden. Das zeigt die erste Ausgabe der Global Energy Basel.

Von Steffen Klatt, Basel

Ng Ooi Hooi ist stolz. „Wir sind dem Plan voraus”, sagt der Manager aus Singapur. Die Ökostadt Tianjin östlich von Peking, die Singapur zusammen mit China baut, kommt gut voran. Das Projekt wurde 2007 angekündigt. Nun werden die ersten Gebäude gebaut. Ende des Jahres sollen bereits die ersten Bewohner einziehen. Bis 2013 sollen bereits rund 100.000 Menschen in der Erweiterung der Millionenstadt ziehen. Insgesamt ist die Stadterweiterung für 350.000 Einwohner vorgesehen.

Zwei Staaten, eine Ökostadt

Die Entwicklungsgesellschaft ist in einer glücklichen Situation: Hinter ihr stehen gleich zwei Staaten, Singapur und China. Ng Ooi Hooi, Strategiechef der Sino-Singapore Tianjin Eco-City Investment and Development CO., Ltd., will allerdings nicht sagen, auf welchen Betrag die Gesamtkosten der Stadterweiterung geschätzt werden. Nur soviel: „In den vergangenen beiden Jahren wurden 50 Milliarden Renminbi investiert“, also ungefähr 5,8 Milliarden Euro (7,3 Milliarden Franken), sagte er an einer Konferenz der C40, der Vereinigung der Megastädte, am Dienstag in Basel.

Das Interesse Chinas an Tianjin ist gross. Denn überall im Land wachsen die Städte rasant und damit der ohnehin hohe Energiebedarf. Die Stadterweiterung in Tianjin soll 15 Prozent weniger Energie verbrauchen als vergleichbare Städte. Das ist nicht viel für europäische Verhältnisse, aber ein grosser Schritt für China. Die Erfahrungen von Tianjin sollen dem ganzen Land zur Verfügung stehen. „Wir wollen keine verrückte oder glanzvolle Technik, weil sich das anderswo nicht anwenden lässt“, sagt deshalb auch Ng Ooi Hooi.

Dänische Regierung ist klimamüde

Wenn dagegen der Staat nicht hinter der nachhaltigen Stadtentwicklung steht, dann hat es eine Stadt schwer. Diese Erfahrung macht Kopenhagen. Sie hatte vor dem Klimagipfel von Ende 2009, bei der sie Gastgeberin war, ein grosses Versprechen abgegeben: Bis 2025 will sie die erste klimaneutrale Hauptstadt der Welt werden. Damals stand auch die dänische Regierung hinter dem Versprechen. Doch nach dem enttäuschenden Ergebnis des Gipfels ist die Begeisterung der Regierung erkaltet. So stellt sie sich gegen Pläne, eine Innenstadtmaut nach dem Vorbild Londons und Stockholms einzuführen. Claus Björn Billehöj, in der Stadtverwaltung für das Programm „Grünes Wachstum“ verantwortlich, ist dennoch zuversichtlich. Dieses Jahr sollen die Planungsdokumente verabschiedet werden.

Manchester wirbt um Investoren

Manchester ist weiter. Die Hauptstadt der ersten Industrialisierung vor zweieinhalb Jahrhunderten will in den nächsten zehn Jahren 10 Milliarden Pfund (11,8 Milliarden Euro/14,7 Milliarden Franken) an öffentlichen und privaten Mitteln investieren, um den Kohlendioxidausstoss um 40 Prozent zu verringern. Damit sollen laut Steve Turner von der Kommission für die neue Wirtschaft in Manchester 69.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Dabei geht es um die energetische Sanierung von Gebäuden. Fernwärmenetze und Windkraftanlagen. Die Stadt wirbt nun um Investoren.

Investoren halten sich zurück

Die Investoren zögern. Dabei haben es energetische Sanierungen von Gebäuden und grüne Neubauten noch verhältnismässig leicht: Pensionskassen etwa sind gewohnt, in Immobilien zu investieren. So finanziert TIAA-CREF, der zweitgrösste Pensionsfonds in den USA, grüne Immobilien in Milliardenhöhe. Etwas anderes ist es, wenn es um die Finanzierung von neuer „grüner“ Technologie geht. Dafür hat TIAA-CREF laut Cherie Santos-Wuest, verantwortlich für soziale Investitionen, einen Fonds von gerade einmal 50 Millionen Dollar (38 Millionen Euro/48 Millionen Franken) aufgelegt. Das ist ein Bruchteil des verwalteten Vermögens.

Dabei stehen die USA noch gut da. Dorthin fliessen laut Gina Domanig 60 Prozent aller Cleantech-Investitionen von Beteiligungsgesellschaften, gerade mal 14 Prozent nach Europa, sagt die Chefin von Emerald Technology Ventures. Der Grund: „Die institutionellen Anleger in Europa halten sich zurück.“ Domanigs Beteiligungsgesellschaft sitzt zwar in Zürich, erhält aber einen Grossteil ihrer Fonds aus Nordamerika – und investiert auch dort. In ihrem Sitzland Schweiz hat sie bisher nicht investiert.

Weniger CO2, mehr Arbeitsplätze

Dabei braucht es nicht einmal ständig neue Investitionen. „Die Technologie ist vorhanden“, sagt Nick Beglinger, Präsident von swisscleantech. „Es geht um die Anwendung. Wenn das Geld nicht da ist, dann passiert nichts.“

Die C40, die Vereinigung der nachhaltig orientierten Megastädte, will mehr Schwung in die Finanzierung ihres nachhaltigen Umbaus bringen. „Investitionen in die Verringerung des CO2-Ausstoss bringen Jobs“, sagt etwa David Miller, ehemaliger Bürgermeister von Toronto und bis 2010 Vorsitzender der C40. „Aber wir müssen dafür jenseits der staatlichen Finanzierung eine Lösung finden.“ Und sein Nachfolger an der Spitze der C40, New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg: „Wir müssen die Bekämpfung des Klimawandels und die Anpassung an seine Folgen als eine Investition sehen.“ Die Herausforderung jedenfalls ist gross. „Die Städte müssen in den nächsten 40 Jahren den CO2-Ausstoss um 80 Prozent senken“, sagt Guy Morin, Regierungspräsident des Kantons Basel-Stadt.

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Un commentaire à “Ohne Staat geht es noch nicht”

  1. David Dürr 2 août 2011 at 21:59 #

    Und ob es ohne Staat geht, viel besser sogar!

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