Pikajews Tod bleibt ein Rätsel


Der Tod des russischen Atomwissenschaftlers Alexander Pikajew auf Malta gibt weiter Rätsel auf. Die Behörden auf Malta schliessen einen Mord nicht aus. Pikajews Kollege Nikolai Petrow vom angesehenen Carnegie Institute in Moskau ist allen Theorien über einen Racheakt oder eine Tätigkeit Pikajews als Doppelagent entgegengetreten.

Von Roderick Agius, Valletta

In Malta wird weiter über den Tod des russischen Kernwaffenexperten Alexander Pikajew gerätselt. Die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gehen weiter, ein Antrag der Familie auf Freigabe der Leiche zur Bestattung wurde bisher abgelehnt. Die Mordkommission ist ebenfalls im Einsatz. Denn zu viele Fragen sind offen. Schließlich war der Tote – oder Ermordete? – gesund, gerade 48 Jahre alt, und dennoch soll er an Herzversagen gestorben sein. Die Verletzungen an seinem Kopf, die er sich bei einem Sturz an der Türklinke zugezogen haben soll, passen offenbar nicht zu den Beschädigungen an der Tür.

Tat eines Geheimdienstes?

Alle denkbaren Vermutungen ranken sich um den Tod von Alexander Pikajew, der auf Malta in den Ferien war. Denn der Russe war ein international führender Experte für Massenvernichtungswaffen und deren Nichtweiterverbreitung. Die Vermutungen richten sich auf einen möglichen Racheakt, eventuell an einem Doppelagenten.

Jedenfalls rief die Bekanntgabe des Namens des Toten in Malta Erinnerungen an Alexander Litwinenko wach. Der ehemalige russische Geheimdienstler war 2006 in London mit Polonium ermordet worden. Die britischen Behörden warfen daraufhin Russland vor, hinter dem Mord zu stecken. Der Streit belastete die Beziehungen beider Staaten während Jahren.

Aus Ermittlungskreisen hieß es, falls Pikajew ermordet worden sei, so seien die Täter „Profis“ gewesen, denn sie hätten keine verwertbaren Spuren hinterlassen.

Malta gilt als ein Brückenkopf Irans in der EU. Die Inselrepublik ist Sitz von Unternehmen, in denen die Islamische Republik einen Teil seiner Handelsflotte untergebracht hat, um internationalen Sanktionen zu entgehen.

Pikajew hatte die iranische Atompolitik unterstützt. In einem Interview mit der Teheran Times hatte er im vergangenen Jahr erklärt, der Iran sei für kein anderes Land eine Gefahr, die iranische Atompolitik sei friedlich. Die internationalen Sanktionen gegen Iran nannte er „fruchtlos” und „irrational”.

Kollege Petrow: Alles Quatsch

All dem trat in dieser Woche Nikolai Petrow entgegen, Pikajews Kollege am renommierten Carnegie Institute in Moskau. Pikajew habe keine persönlichen Feinde gehabt, sagte Petrow. Er habe seinen Kollegen auch keinesfalls für fähig gehalten, ein Doppelagent zu sein. „Ich schließe aus, dass Alexander in der Lage war, irgendwelche Abenteuer einzugehen. Er war kein Anfänger, arbeitete in seinem Bereich seit 15 Jahren.“ Petrow hob hervor, dass Pikajew „in den vielen Jahren sehr ausgeglichen war, wenn es sich um so heikle Fragen handelte. Er war einer, der wusste, was zu sagen war und wie es zu sagen war.“

Pikajew galt als einer der führenden russischen Experten für Massenvernichtungswaffen und deren Nichtweiterverbreitung. Er war Direktor der Abteilung Abrüstung und Konfliktlösung des Moskauer Instituts für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen. Er war auch Chef des Russland-Projekts des James Martin Zentrums für das Studium der Nichtweiterverbreitung. Er hatte über lange Jahre auch den Verteidigungsausschuss der russischen Staatsduma beraten.

Viel Wissen über Geheimes

Allerdings räumte auch Petrow ein, dass Pikajew sehr wohl vermocht hatte, Verborgenes aufzuspüren. Er erinnere ein Gespräch mit ihm in Moskau, drei Wochen vor dem Tod auf Malta, über eine Kernenergie-Konferenz in Teheran im vergangenen Mai. Er habe ihm „Dinge erzählt, die man von niemand anderem erfahren konnte.“

Pikajew habe eine sehr detaillierte Kenntnis der iranischen Atom-Pläne gehabt.

Einiges davon könnte auf dem Laptop gespeichert sein, der noch lief, als die Polizei in das Appartement mit dem Toten eindrang. Der Computer ist derzeit im Polizeigewahrsam.

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