Die vorläufige Schmach des Silvio B.


Mailand ist nicht irgendeine Stadt. Sie ist die Wirtschafts- und Finanzmetropole. Seit Jahren ist sie in fester Hand der Rechten. Berlusconi wohnt oft hier, besitzt den Fussballclub AC Milan und hat hier sein Milliarden-Imperium aufgebaut. Und jetzt dies.

Die Bürgermeisterin von Mailand heisst Letizia Moratti. Sie kommt aus dem Stall von Silvio Berlusconi. Sie ist 62 Jahre alt und steht der Millionenmetropole seit 2006 vor. Seit längerem wird sie arg verdächtigt, im Korruptionssumpf zu stecken. Eine Sympathieträgerin ist sie nicht.

Doch den jetzigen Gemeindewahlen ging sie zuversichtlich entgegen. Mit allem Grund: Mit Vehemenz hat sich Berlusconi ins Zeug für ihre Wiederwahl gelegt. Mehrmals trat er in Mailand auf, küsste sie immer wieder vor laufenden Kameras und verkündete dem Volk, welch wunderbare Arbeit sie geleistet habe.

Meilenstein im Erosionsprozess von Berlusconi?

Eine Niederlage in seiner Stadt hätte Symbolcharakter. Eine solche wollte sich der Ministerpräsident nicht leisten. Sie würde als Meilenstein im Erosionsprozess des 74jährigen Berlusconi interpretiert.

Um in den italienischen Gemeindewahlen gewählt zu werden, braucht ein Kandidat oder eine Kandidatin im jetzigen ersten Wahlgang mindestens 50 Prozent der Stimmen. Für Berlusconis Spezies war dies meist kein Problem, vor allem nicht in Mailand.

Doch am frühen Montagabend zeichnete sich für den grossen Silvio Unheilvolles ab. Allen Prognosen zum Trotz schaffte es Letizia Moratti nicht, das absolute Mehr zu erreichen. Doch das war noch die kleinere Schmach.

Schlimm, ganz schlimm für das Berlusconi-Lager ist, dass Frau Moratti nicht einfach knapp das absolute Mehr verpasst hat. Der linke Kandidat hat sie um Längen geschlagen. Entgegen jeder Meinungsumfrage.

Und noch schlimmer: Der linke Giuliano Pisapia, der 48 Prozent der Stimmen erreichte (gegenüber 41,6 Prozent für Frau Moratti) ist nicht einfach ein linker Kandidat. Er ist ein linker Linker. Und dies in der traditionell rechts wählenden Hauptstadt der Lombardei.

Pisapia, der 62jährige Rechtsanwalt, war jahrelang Mitglied der Rifondazione Comunista. Bekannt wurde er im Ausland durch die Verteidigung des jetzt inhaftierten Kurdenführers Abdullah Öcalan. Sein gutes Ergebnis ist umso erstaunlicher, als viele Zentrumspolitiker gesagt haben, sie seien zwar gegen Berlusconi, aber für den linken Pisapia seien sie auch nicht.

Die 48 Prozent des Super-Linken Pisapia sind die eigentliche Sensation dieser Kommunalwahlen. 12 Millionen Italienerinnen und Italiener waren zur Wahl aufgerufen worden. In den meisten Städten gab es wenige Überraschungen. In Turin wurde der linke Kandidat schon im ersten Wahlgang gewählt, in Bologna liegt er für den zweiten Wahlgang in Führung. In Neapel verliert die Linke nach vielen Jahren das Stadtpräsidium – sie konnte sich nicht auf einen valablen Kandidaten einigen. Doch all diese Ergebnisse werden vom Urnengang in Mailand in den Schatten gerückt.

Berlusconi, eine Geisel von Umberto Bossi?

Weshalb dieses schlechte Ergebnis für Letizia Moratti? Populär war sie nie. Sie wurde im rechten Mailand gewählt, weil sie eine Rechte ist. Und sympathisch ist sie schon gar nicht. Letzte Woche leistete sie sich einen Faux-pas erster Güte. In einem Fernsehduell warf sie ihrem Kontrahenten Pisapia eine uralte Geschichte vor: Er hätte ein Auto gestohlen, obwohl er vom Gericht längst reingewaschen wurde. Das war offenbar selbst für viele Mailänder zuviel der Arroganz. Doch das allein erklärt noch nicht ihr schlechtes Ergebnis.

Sind ihre 42 Prozent ein Hinweis darauf, dass Berlusconi die Leute davonlaufen? Es wäre verfrüht, diese Schlussfolgerung zu ziehen. Und vielleicht wird Frau Moratti im zweiten Wahlgang dann doch noch gewählt. Doch auch dann: bei Berlusconi sollten die Alarmglocken schrillen.

Aber fast wichtiger als das klägliche Abschneiden der Letizia Moratti wird der allgemeine Trend sein. Wird in der Lombardei die Lega Nord der Berlusconi-Partei weiter Stimmen abjagen? Wird Berlusconi damit noch mehr zur Geisel des Lega Nord-Chefs Umberto Bossi?

Article paru dans Journal21

 

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