Norwegen, die Ideologie des kranken Kreuzritters


Anders Bs Anwalt beschrieb es am Dienstag treffend: „Mein Mandant hat eine andere Wirklichkeitsauffassung.” Sein Mandat sei gelassen, fast kühl. „Ich werde heute vielleicht erschossen”, hatte er am Montag seinem Anwalt gesagt. Für Breivik scheint dennoch alles nach einem genau geplanten Uhrwerk und sehr erfolgreich abzulaufen. Kurz vor seiner grausamen Bluttat und der ebenso eingeplanten Verhaftung am Freitag verschickte er ein 1518 Seiten starkes Manifest über Facebook zur Veröffentlichung. Denn auch, dass seine Tat auf sein Werk aufmerksam macht, gehörte zum Plan.

Bewunderer der RAF

Sein Manifest ist ein Sammelsurium unterschiedlichster Denkrichtungen, nicht alle von ihnen rechtsextrem. Unter dem Titel „2083 – Europäische Unabhängigkeitserklärung” schildert er seinen Eintritt in einen heimlichen europaweiten Kreuzritterorden, der die Überschwemmung Westeuropas durch Moslems verhindern will. Dabei spielt für Anders B der Kampf gegen die Sozialdemokraten eine entscheidende Rolle, weil die mächtige norwegische Staatspartei „Muslime importiert” und nicht mehr an die christlichen Norweger denke. Er bezeichnet sich als ranghohen Ritter des Ordens. Es gebe Momente, in denen “Grausamkeit notwendig” sei, für einen solchen Ritter. Als Ritter habe man die Pflicht, “gegen die Tyrannei des kulturellen Marxismus und multikultureller Eliten” vorzugehen, heißt es dort. Die beste Methode um den moslemischen Einwanderern Einhalt zu gebieten, seien gewaltsame Angriffe mit begrenzten Kräften. Das Konzept erinnert an die Strategie der Islamisten Al Kaidas. Anders B verehrt zudem offen die Entschlossenheit der deutschen Terrorgruppe RAF. Sein Manifest enthält genaue Verhaltensregeln und Hinweise für Terroranschläge. Woher sein Hass auf Moslems in Norwegen kommt, einem Land mit wenig moslemischen Einwanderern, wird nicht richtig verständlich.

Geld in Spekulationen verloren

Der Massenmord von Freitag war nicht immer das Ziel von Anders B gewesen. In einem Internetforum ist ein lange vor der Tat liegender Eintrag von ihm zu lesen, in dem er schreibt: „Ich kann eigentlich keiner Fliege etwas zu Leide tun.” Sein eigenes Strafregister ist bis auf ein paar kleine Verkehrsdelikte leer gewesen. Im Manifest steht zudem, dass er ursprünglich seine Ideen auf friedliche Weise verbreiten wollte. Das wollte er aus dem Handel mit Computern und zuletzt mit Gemüse sowie Börsenspekulationen finanzieren. Doch von 4 Millionen norwegischen Kronen (500.000 Euro/600.000 Franken), die er bis 2005 verdient hatte, verlor er in den Jahren darauf die Hälfte. Erst dann griff er zum „Plan B” – er wollte ein Zeichen setzen. Nicht die Zahl der Opfer war ihm wichtig, sondern die Aufmerksamkeit für seine Ideen. Dieses Ziel hat er auf makabre Weise erreicht.

 

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