Sozialdemokraten vor erster EU-Bürgerinitiative


Die europäischen Sozialdemokraten sind drauf und dran, ihr erstes gemeinsames Thema zu finden: Sie wollen die erste EU-Bürgerinitiative starten und die Finanztransaktionssteuer erzwingen. Die SPD und die SPÖ machen den Anfang.

Von Max Malik, Berlin

Die Sozialdemokraten Deutschlands und Österreichs wollen mit einem gemeinsamen Volksbegehren – der ersten EU-Bürgerinitiative nach dem Lissabon-Vertrag – alle sozialdemokratischen Parteien Europas dazu bringen, Finanzmarktregulierungen und eine europäische Spekulationssteuer zum gemeinsamen Thema zu machen. Das erklärten Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sowie SPD-Chef Sigmar Gabriel und Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier am Dienstagnachmittag in Berlin.

Widerstand gegen Regulierung brechen

Seine jüngsten Vorwürfen gegen die Schweiz – die Eidgenossen seien „Trittbrettfahrer“, die das Schwarzgeld aus Griechenland und ganz Europa auf ihren Banken hätten – wiederholte Faymann im Kreis seiner deutschen Parteifreunde in Berlin zunächst nicht. SPD und SPÖ erwarten von der europäischen Politik wirksame Schritte zur Regulierung der Finanz- und Kapitalmärkte in Europa und zur Beteiligung dieser Märkte an den durch sie entstandenen Kosten.

Der Widerstand der konservativ-liberalen Mehrheit unter den EU-Regierungen – zur Zeit stellen die sozialdemokraten nur vier von 27 Regierungschefs – gegen weitreichende Regulierung der Finanzmärkte müsse gebrochen werden. „ Für den Fall“, dass diese konservativen Regierungen sich weiterhin gegen die Schritte wehrten, wollen SPÖ und SPD erstmals das neue Instrument der „Europäischen Bürgerinitiative“ nutzen.

Faymann warnt vor Verzögerungstaktik

SPÖ-Chef Faymann, der am Nachmittag die SPD-Fraktion für seinen Plan zu begeistern versuchte, betonte, mit der Initiative sollen die Bürger rechtzeitig eingebunden werden – und nicht erst bei der nächsten Europawahl. Soziale Gerechtigkeit, Finanztransaktionssteuer, Kosten der Krise, Schaffung der Kontrollen, Kampf der Spekulation – diese Themen würden Europa noch länger beschäftigen, „weil es in Europa eine Gruppe gibt, die noch sehr stark ist und die alles gleich lassen will“. Diese Gruppe werde weiterhin stark auf Verzögerung setzen, warnte Faymann. „Wenn die Spieregeln für die Finanzmärkte international und in Europa so bleiben, dann ist klar, was passiert: Es bleibt am Schluss dasselbe Kartenhaus wie vor drei Jahren zur Subprime-Krise. Das erfordert politische Bewegung!“

Das Bürgerinstrument müsse durch die Durchführungsbestimmungen stark genug werden für NGOs, Gewerkschaften, die Zivilgesellschaft. Die Lösungen in Europa müssten modellhaft sein.

Gabriel: Nicht länger Opfer des Binnenmarktes

SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, man müsse den Menschen endlich zeigen, dass sie nicht mehr auf Dauer Opfer eines reinen Binnenmarkts Europa seien, sondern dass die Politik in der Lage sei, soziale, politische und ökonomische Spielregeln zu schaffen, damit die Bürger nicht länger Objekte der Finanzmärkte seien.

Die SPD danke ausdrücklich dem Chef der Euro-Gruppe, dem luxemburgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker: Obwohl er aus dem konservativen Lager komme, sei man sich einig, dass auf der Tagesordnung Europas die Rückgewinnung politischer Handlungsfähigkeit stehen müsse und nicht mehr das blosse Zuschauen bei dem, was sich auf den Finanzmärkten tue.

Steinmeier: Merkel verzögert nur noch

Am Abend traf Faymann zu einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt zusammen. Auch sie will er für eine Finanztransaktionssteuer gewinnen. Merkel und ihre Bundesregierung stehen erwartungsgemäss im Kreuzfeuer der

SPF-Fraktion. Deren Chef Steinmeier meinte, die Bundesregierung sei als Mittler auf europäischer Ebene ausgefallen. Sie sei nicht mehr präsent, sondern verschleppe und verzögere. „Das ist eine beunruhigende Entwicklung, dass ausgerechnet Deutschland als grösstes Land Europas keine Rolle spielt“, so der frühere Aussenminister.

Mit Genugtuung kommentierten Steinmeier und Gabriel „den atemberaubenden Wechsel weg von ihrer falschen Haltung“, die die Regierung innerhalb von 24 Stunden vollzogen habe. Allerdings wisse man noch nicht, welchen Weg sie nehmen werde.

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